"Hello Mister!"

Was sind Warhols zweifelhafte "15 minutes of fame", wenn man daraus leicht ein paar Wochen machen kann. In Indonesien bin ich ein Star - ein Superstar ohne Allüren. Der Ruhm ist mir noch nicht zu Kopfe gestiegen, wenngleich es der Hitze manchmal gelingt.
Sie nennen mich "Bule" und sprechen mich mit "Mister" an. "Bule" ist ein Ausländer europidischer Abstammung. Ein auf den ersten Blick merkwürdig rassistisches Prädikat. Ich entspreche ihm jedoch. Sie nennen mich also zurecht "Bule". Aber sie sprechen mich mit "Mister" an. Das hat mich anfangs belustigt, dann gelangweilt, und später gestresst. Ich wollte ich mich nicht an die vom Straßenrand schallenden Chöre gewöhnen. Bis zu dem Zeitpunkt als ich verstand. Ich verstand die Wahrheit. Jedenfalls einen kleinen Teil davon. "Mister" ist kein Schimpfwort und Geld will im Normalfall auch keiner haben. "Mister" ist ein einfacher, respektvoller Gruß. Kinder schreien "Hello Mister" und winken mir zu, Verkäufer in Geschäften begrüßen mich mit "Mister", verabschieden mich mit "Mister" und selbst in teueren Restaurants und Hotels begleitet ein freundliches "Mister" stets die Verbeugung. Die Menschen grüßen mich, weil sie mich mögen, respektieren und selten einen Kaukasoiden live zu Gesicht bekommen.

Nicht leicht für einen vom Mißtrauen verwöhnten "Bule" das zu verstehen. Ich reagiere dann, indem ich zurückwinke, nicke und mir an den Schirm meines Hutes fasse. "Chapeau"!

Vor ein paar Wochen hörte ich eine Teenagerin zu ihren gleichaltrigen Freundinnen sagen: "Oh my god, this is a white guy!" - Vor drei Tagen erblasste ein etwa Fünfjähriger im Supermarkt, deutete mit seinem Finger und offenem Mund auf mich und posaunte voller Erstaunen ein "Bule" in Mutters Richtung.

Aber es lohnt sich. Es lohnt sich manchmal, Fremdes positiv zu interpretieren. Ich fühle mich willkommen geheißen in diesem fernen, so verschiedenen Land. Trotzdem bleibe ich weiter vorsichtig, wenn ich "cool" durch die Straßen und Nachbarschaften schlendere, mit den Einheimischen meist nonverbal, mit einem an der Faust nach oben gestrecktem Daumen, kommuniziere und "Alles bestens!" signalisiere. Ich fühle mich besonders und besonders wichtig. Eine Erfahrung, die Chihi nie mit mir teilen wird. Sie bleibt außen vor, der Fokus ist immer auf mich gerichtet. Eine sonnengebräunte, junge Japanerin ist eben weniger exotisch als ein tofufarbener "Bule".

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