Weniger ist mehr.

Leon, Nicaragua.
Leon, Nicaragua.

Jetzt sind wir seit genau 2 Jahren unterwegs, leben ein Vagabundenleben und wollen noch immer weiter und mehr davon. Vor unserer Abfahrt im August 2009 schrieb ich in der Rubrik "ÜBER UNS" damals: "Wir haben den meisten Krempel in Deutschland verkauft.

"Was brauchst Du wirklich?"

Diese Frage haben wir uns gestellt und sind gerade dabei sie zu beantworten. Scheinbar ist es nicht viel was Du wirklich brauchst, wenn Du den richtigen Partner hast und den eigenen Traum lebst."

Meine Annahmen, meine Erwartungen verifizierten sich. Ich kann, und es scheint auch Chihi, mit nur sehr wenig an materiellen Gütern auskommen und dabei glücklich sein. Wir können auf sehr kleinem Raum zusammenleben und wenn notwendig auch mit wenig Komfort, verglichen zu unseren bevorigen Leben. Wir schaffen nichts mehr an, was wir nicht unbedingt benötigen. Dass Du Geld brauchst steht außer Frage, aber was brauchst Du an Dingen? Das Experiment ist gelungen und fordert Fortsetzung. Fordert selbst über die Reise hinaus ein Leben. Unser Leben wird in etwa einem Jahr in Japan stattfinden, dem konsumfreudigsten Land unseres Planeten. Bei den japanischen Preisen, könnte man auch sagen, dass wir "die Not zur Tugend machen" wollen. Der eigentliche Wert, aber weniger an materiellen Gütern zu besitzen, ist die damit einhergehende größere Flexibilität, will heißen Unabhängigkeit und Freiheit. Nebenbei kann gespartes Geld wieder in neue Reiseerfahrungen investiert werden. In meinem Leben schätze ich nichts höher ein als Erfahrungen. Reisen multipliziert sie. Erfahrungen sind unmittelbar mit einem selbst verbunden, sind die eigene Person. Ein Fernseher wird alt, geht kaputt und wird erstezt. Erfahrungen altern nicht, gehen nicht kaputt und müssen auch nicht ersetzt werden. Ganz im Gegenteil. Erfahrungen bilden im Laufe der Zeit ein immer größeres und komplexeres Netz, das einem hilft, immer mehr ein bißchen "Welt" zu verstehen. Wirklich zu verstehen. Die Idee in Erfahrungen, statt in die unnötige Anhäufung materieller Güter zu investieren, ist so reizvoll, dass immer mehr Menschen aus den großen Industrienationen sich zu einem Strom formieren. Sicherlich keine Revolution wie Sean Bonner in seinem Blog über "Neo-minimalism and the rise of technomads" verheißungsvoll prophezeit, aber doch mehr, als dass diese Menschen unbemerkt bleiben könnten. Selbstverständlich rede ich von einer sozialen Elite. Menschen können a priori nur das reduzieren was sie haben. Ich spreche von Leuten, wie Chihi und mir, die über Jahre Dinge angehäuft haben, viele davon absolut überflüssig. Vor Reisebeginn habe ich bereits den Großteil meines Ballastes abgestoßen und zu Geld gemacht. Es hat mir gut getan alles in die Hand zu nehmen und festzustellen, dass ich das meiste nicht wirklich brauche. Ich habe alle meine CDs verkauft, die meisten Bücher und Videos. Die heutige Technik macht die Reduzierung auf wenige, wenngleich hochwertige, Gegenstände möglich. Musik, Videos und selbst viele Bücher sind lokal digital abgespeichert, oder liegen auf Servern über die ganze Welt verstreut. Wenig, aber hochwertige Kleidung hat sich ausgezahlt, das gilt im Übrigen für alles andere auch. In Qualität investieren und die Quantität reduzieren. Materieller Überfluss müllt nicht nur das Zimmer voll, sondern auch den eigenen Kopf. Wir kaufen uns häufig Sorgen, statt Leben. Chihi und ich lassen ein neo-minimalistisches Experiment laufen, dessen Ausgang, so oder so, fruchtbar sein wird. Eine Riesenerfahrung ist es schon.

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