Chiles Pros & Cons.

Enjoying a free life. (fishermen´s harbour, Antofagasta)
Enjoying a free life. (fishermen´s harbour, Antofagasta)

All denjenigen, die sich überlegen, ob sie einen Urlaub oder eine Reise nach Chile machen sollten, möchte ich eine Hilfestellung geben; Informationen, kleine Geschichten und harte Fakten zur Orientierung bereitstellen. Ich persönlich hatte keine großen Erwartungen an den über 5000 km langen Staat im Süden der Americas. Zu oft gehört, dass es dem Land an Charakter fehle, es langweilig sei, sehr europäisch und viel zu teuer. Stimmt alles, aber nur irgendwie. Klar, Chile hat kein Machu Pichu wie Peru, keine indigene Trachtenflut wie Bolivien, keinen Tango wie Argentinien, nicht einmal einen vernünftigen Drogenhandel mitsamt der dazugehörigen Guerilla wie Kolumbien. Zweifelsfrei fehlt es dem Land an Aushängeschildern, sieht man von Patagonien ab, aber das gibt es ja auch in Argentinien. Was hat also dieses Land zu bieten und was nicht? Die folgende Auflistung wird Aufschluß über Chile geben, Anregung sein und sicherlich auch einfach unterhalten.
Und weil es so viele negative Vourteile gibt, fange ich auch gleich damit an einige von ihnen zu bestätigen und weitere hinzu zu fügen.
- Finanziell: Chile ist teuer, viel zu teuer. Hotels, Restaurants, Touren, alles schweineteuer. Jedenfalls am Einkommen der Chilenen gemessen. Bis dato das teuerste Land unserer Reise. Lediglich die Promotionspreise einiger Busunternehmen haben uns schwer beeindruckt und das Reisen in diesem endlos langem Land überaschenderweise äußerst erschwinglich gestaltet. Dank Couchsurfing konnten wir bis auf die ersten 5 Nächte in San Pedro de Atacama die Ausgaben für Übernachtungen gänzlich sparen. Ohne unsere Mitgliedschaft auf dieser Platform wäre Chile sicherlich zum finanziellen Alptraum geworden. Selbst kochen in Chile ist Pflicht und der Supermarktbesuch wird schnell zum täglichen Ritual. Ein anderes tägliches Ritual wird schnell zum kostenintensiven Übel. Der Besuch öffentlicher Toiletten. Es gibt sie kaum und wenn, dann wird der zur Notdurft verdammte zur Kasse gebeten. Egal ob im Busbahnhof, am Plaza Central, teilweise sogar im Supermarkt. Wer trinkt verliert, weil wer trinkt, das Getrunkene logischerweise wieder loswerden muß. Konsequenterweise durchzieht die meisten chilenischen Straßen ein aggressiver Duft von Harnsäure. Lösungsvorschläge werden auf Anfrage gerne von mir bereit gestellt.
- Europäisch: Chile ist europäisch. Wer erwartet ein exotisch-fremdes Südamerika entdecken zu können, ist hier fehl am Platz. Daher rate ich ab, Chile direkt von Europa aus zu besuchen. Wer weis sonst schon all die kleinen Dinge, wie riesige, gut organisierte Supermärkte mit endloser Wurst- und Käseauswahl und geordneten Verkehr zu schätzen. Folgerichtig ist ein längerer Aufenthalt in den nördlicheren Ländern, vorzugsweise Bolivien, des Kontinents zur Wertschätzung Voraussetzung. Gut asphaltierte Straßen, selten betrunkene und bekiffte Busfahrer, Toiletten mit funktionierenden Spülungen und Seifenspendern, sind für Europäer sicher kein Anreiz einen langen und teuren Flug auf sich zu nehmen.
- Kulinarisch: Chiles Kost ist kein kulinarisches Feuerwerk. Viel zuviel Fastfood, kaum Gewürze, kaum Abwechslung. Empanadas (gefüllte Teigtaschen, die gebacken oder frittiert werden) gehören hier eindeutig schon zu den Highlights. Empanadas gibt es mit unzähligen Füllungen. Mit Shrimps und Käse, Meeresfrüchten oder klassisch mit Rindfleisch und Zwiebeln oder einfach nur mit Käse. Am Wochenende ist Asado-time (Grillfest) und dabei wird gerne auch mal 1 Kilo Fleischmenge pro Person kalkuliert. Rind, Schwein, Huhn, Bratwurst und die obligatorische Pietra, eine gewöhnungsbedürftige Blutwurst. Fleischen bis der Ranzen spannt. Aber Nationalgericht, besser Nationalsnack, ist der Completo, die chilenische Variante des Hot Dogs. Auf ein lappriges Brötchen wird eine Wurst gelegt, dann mit Palta (Avocadocreme) bestrichen und großzügig mit Mayonnaise bespritzt. Ein Fettgehalt der seines gleichen sucht. Ein Italiano ist ein Completo der zwischen Wurst und Palta zusätzlich eine Schicht gewürfelte Tomaten besitzt. Für chilenische Verhältnisse fast schon gesund. Deutlich, dass nicht nur aufgrund der hohen Preise in den Restaurants selbst gekocht werden muss. Die Eintönigkeit ist geschmacksknospenlähmend und sehr ungesund ist es dazu.
Der bösen Zunge zeig ich nun die Zähne. Denn Chile ist auch ganz wunderbar.
- Natürlich: Eine großartige Natur, so verschieden wie das Land lang ist. Wir waren in der trockendsten Wüste auf unserem Planeten ganz im Norden Chiles. Die Atacamawüste trocknet dich aus und wer nicht trinkt verliert. Ganz anders als im Rest des Landes ;) Der gesamte Norden Chiles ist Wüste, ist Sand und Stein, kaum Lebewesen. Ein Leben wie auf dem Mond, oder einem anderen Stern. Unwirklich wundersam. Eigenartig.
Das ändert sich in Zentralchile wo der Großteil der Bevölkerung sich niedergelassen hat. Das Ballungszentrum Santiago und die benachbarten Vina del Mar und Valparaiso haben gemäßigtes Klima, viel schönes Wetter und gelegentlich Regen. Es ist grün, wenn auch die Luft sehr häufig verschmutzt ist. Santiago ist eine Smog City trotz des hervorragenden Metrosystems.
In der Region der Seen, im nördlichen Teil Patagoniens, ist alles grün. Chlorophylandia. Das Wasser ist klar, die Luft sauber, die Städte klein. Wälder, Seen, Vulkane, ein Paradies so weit das Auge reicht. Für uns der schönste Teil Chiles. Weiter im Süden waren wir nicht, hörten aber von seiner atemberaubenden Schönheit. Vielleicht ein anderes mal. Vielleicht eher sicherlich.
- Menschlich: Highlight und sicherlich unser Topgrund, warum wir so lange in diesem Land geblieben sind, sind seine Menschen. Sie haben es geschaftt unseren so geliebten Kolumbianern die Krone als freundlichstes Volk der Americas zu stehlen. Oder zumindest haben sie sich zu den Kolumbianern mit auf den Thron gesetzt. Gastfreundschaft, Respekt, Toleranz, Liebenswürdigkeit sind Grundeigenschafften des daher gelaufenen Chilenen. Der kommt von allen Seiten in diesem Land. Der Chilene hat ein Herz aus Platin und Spendierhosen aus Purpur. Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber im Großen und Ganzen zutreffend. Wir surften Couch in sieben Städten, einige Erfahrungen davon gehörten zu den besten unserer Reisekarriere. Aber herausragend ist auch der fremde Chilene an der Ecke, auf der Straße, beim Einkaufen, im Bus, eigentlich überall wo wir uns aufgehalten haben.

Schier unglaublich ist das Fahrverhalten der Chilenen im Straßenverkehr. Ein Zebrastreifen lässt einen jeden Chilenen stoppen, selbst wenn der Fußgänger von diesem noch 20 m entfernt ist. Auch ohne Zebrastreifen wird gehalten, der Fußgänger ist König und kann das Recht des Schwächeren durchsetzen. In öffentlichen Verkehrsmitteln, selbst in der oft überfüllten Metro in Santiago, ist es keine Seltenheit, dass einige Plätze unbesetzt bleiben, sozusagen reserviert für Frauen, Ältere oder Hilfsbedürftige. Ist kein Platz frei wird sofort aufgestanden. Schulkinder setzen sich daher meist erst gar nicht hin, sie wären sowieso die ersten, die aufstehen müssten.
Chilenen sind auch sehr offen und interessiert. Chihi wurde im Supermarkt von einer Kassiererin auf spanisch gefragt woher sie denn komme. Danach wurde die Unterhaltung auf japanisch fortgesetzt. Was Bildung ausmachen kann. Wir haben eine Regel: Gehe nie darauf ein, wenn dich Fremde auf der Straße plötzlich grundlos ansprechen, dich beim gehen stoppen und eine Konversation beginnen wollen! Als eben dies in Chile geschah sind wir zwar weitergelaufen, haben uns aber auch unterhalten. Die Konsequenz war, dass wir einen halben Tag mit Esteban verbracht haben, der sein Abitur im Ruhrpott gemacht hatte und des deutschen Straßenslangs mächtig war. All das ist sicherlich auch eine Konsequenz, dass viele Orte in Chile sehr untouristisch sind, die Chilenen neugierig und häufig sehr gebildet sind und der Lebensstandard relativ hoch ist. Chile ist einfach ein sehr sicheres Land.
Die Entscheidung liegt nun bei Dir, ob Du Chile besuchen möchtest. Bist Du knapp bei Kasse, suchst das Fremde, das Exotische und willst Dich kulinarisch weiterentwickeln, darf Chile nicht Deine erste Wahl sein. Bist Du ein Naturbursche, willst nette Menschen treffen und neue Freunde gewinnen, wird das Land all Deine Erwartungen übertreffen.

 

Viel Erfolg bei Deiner Entscheidung!

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Kommentare: 1
  • #1

    Pía (Sonntag, 25 November 2012 04:07)

    Ich muss sagen, dass Ihrer Meinung nach für uns sehr interessant Chilenen ist. Wir sind sehr höflich und schüchtern, aber wir sind sehr nett. Grüße deutschen Freund.